Deutschland im Gespräch

Veranstaltungsrückblicke

07.03.2020 | Schmalkalden

Gedenken und Weiterdenken - Deutschland im Gespräch: Schmalkalden und Recklinghausen

„Ich hoffe, wir können den heute aufgenommenen Gesprächsfaden weiterspinnen!“ Das sagte Thomas Kaminski, Bürgermeister der Kleinstadt Schmalkalden in Thüringen, am frühen Nachmittag des 7. März 2020, als er sein Fazit der Diskussionen bei „Deutschland im Gespräch“ zog. Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „… zum Beispiel nächstes Jahr um diese Zeit in Recklinghausen.“

Gut 330 Kilometer trennen Schmalkalden und das mitten im Ruhrgebiet gelegene Recklinghausen voneinander. Doch die Städte sind schon lang eng miteinander verbunden: Seit 1989 pflegen sie ihre Freundschaft. Am Wochenende kam es zu einem weiteren Zusammentreffen der Bürgerinnen und Bürger beider Städte, allerdings außerhalb der „Routine“.

Im Jubiläumsjahr „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ hatte die Bundesregierung zum offenen und kritischen Austausch über den bisherigen Prozess der Deutschen Einheit eingeladen. In Schmalkalden fand die sechste von insgesamt 16 Begegnungs- und Dialogveranstaltungen statt. Dafür waren rund 60 Bürgerinnen und Bürger Recklinghausens an den Rand des Thüringer Waldes gekommen. Mit einer ebenso großen Zahl an Schmalkaldenerinnen und Schmalkaldenern sprachen sie über Vergangenes, vor allem aber auch über ihre Gedanken zur Frage „Wie wollen wir miteinander leben?“

 

Themenvielfalt in der Mehrzweckhalle

Austragungsort des Ost-West-Gesprächs war die zur Debattierarena umfunktionierte örtliche Mehrzweckhalle. Die Teilnehmenden kamen aus Vereinen und Verbänden, engagieren sich privat im sozialen Bereich oder sind ganz einfach interessiert am deutsch-deutschen Austausch. Aus Recklinghausen reiste eine kleine Delegation des Kinder- und Jugendparlaments an und brachte eine frische Perspektive auf das Thema mit. Auch Kaminskis Amtskollege aus Recklinghausen, Bürgermeister Christoph Tesche, hatte die fünfstündige Fahrt angetreten und zur Eröffnung die „gute Idee“ gelobt, „anlässlich 30 Jahren Wiedervereinigung mit dieser Veranstaltung bundesweit Geschichten zu sammeln und Menschen zusammenzubringen, die sich austauschen können.“

Die Dialogveranstaltung in Schmalkalden in Bildern

Aus Recklinghausen sind rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Schmalkalden gereist.
Die andere Hälfte der Dialogteilnehmerinnen und -teilnehmer kommt aus der Partnerstadt Schmalkalden.
Bürgerinnen und Bürger aus beiden Städten füllen Fragebögen aus.
In der ersten Gesprächsrunde lernen sich alle Teilnehmenden kennen und teilen ihre Erfahrung im Plenum.
Ein Teilnehmer, Mitglied des Kinder- und Jugendparlaments Recklinghausen, berichtet von der Kennenlernrunde.
Die Teilnehmenden kommen aus Vereinen, engagieren sich privat im sozialen Bereich oder sind ganz einfach interessiert am deutsch-deutschen Austausch.
Eine Gruppe hat auf die Frage, was ein gutes Leben ausmacht, diese Antworten gefunden.
Weitere Fragen der Gesprächsrunden: Wie kann eine Anerkennungskultur aussehen? Was können Menschen voneinander lernen und wie geht man mit Herausforderungen um?
In den viele Gesprächen werden immer wieder Meinungsverschiedenheiten festgestellt und auch ausgefochten.
Diese Verschiedenheiten sind aber in den allerseltensten Fällen auf Differenzen zwischen „Ost“ und „West“ zurückzuführen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Austauschrunde feststellen.
Auch eigene Themen können in den Dialog eingebracht werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer suchen sich die Themen aus, die sie diskutieren möchten.
Die Schülerreporterinnen und -reporter bereiten sich ab Freitagabend auf ihre Interviews und den Dreh einer Reportage vor.
In der Abschlussrunde teilen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Eindrücke des Tages miteinander.
Eine Schülerreporterin interviewt vor dem Logo von
Während des Dialogs interviewen die Schülerreporterinnen und -reporter unter anderem den Bürgermeister von Schmalkalden, Thomas Kaminski.
Zum Abschluss, bevor das Nachmittagsprogramm startet, kommen alle Teilnehmenden für ein Abschlussfoto zusammen.
Am Nachmittag besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Renaissanceschloss Wilhelmsburg.
Für seine prächtigen Wandmalereien ist das Schloss Wilhelmsburg weit über die Grenzen Schmalkaldens hinaus bekannt.
Ab Abend bitten die Moderatoren Anja Heyde (l.) und Oliver Kuklinski (r.) die Schülerreporterinnen und -reporter auf die Bühne.
Am Tag haben die Darstellerinnen und Darsteller die Veranstaltung begleitet - nun nutzen sie ihre Beobachtungen für das Improvisationstheater.
Das Publikum, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Dialogs, applaudiert begeistert.
Für einen musikalischen Beitrag sorgt das Saxophonquintett der Musikschule Recklinghausen.

In verschiedenen Workshop-Formaten über mehrere Stunden diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Thüringen und Westfalen. Es ging darum, wie eine Anerkennungskultur aussehen kann, wie und was Menschen voneinander lernen können, den Umgang mit Herausforderungen und die Definition von gutem Leben. Auch eigene Themen konnten eingebracht werden. Darunter dieses Mal zum Beispiel: Ursprung und Maßnahmen gegen Rassismus, persönliche Beiträge zum Umweltschutz, die gesellschaftliche Rolle der christlichen Kirchen, Ideen für eine Gesundheitspolitik der Zukunft, Initiativen gegen Fachkräftemangel und generationenübergreifend organisierte Partizipation.

Harmonie und Debatte

In den Diskussionsrunden wurden immer wieder Meinungsverschiedenheiten festgestellt und auch ausgefochten. Sie waren aber in den allerseltensten Fällen auf Differenzen zwischen „Ost“ und „West“ zurückzuführen. So war für die 19-jährige Politik- und Recht-Studentin Rieka Trottenberg, geboren in Recklinghausen, aufgewachsen in Schmalkalden, auch eine wichtige Erkenntnis: „Wir haben in den Diskussionsrunden herausgefunden, dass wir alle ähnliche Erfahrungen und Sichtweisen haben. Wir dürfen nicht in Stereotypen denken.“ Eine bunte und auch generationenübergreifende Mischung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern machte dies in Schmalkalden möglich.

Für den 17-jährigen Recklinghäuser Ben Hilker hat der Austausch mit Menschen, die zum Beispiel auch Friedliche Revolution und Mauerfall miterlebt haben, einen besonderen Reiz: „Ich bin das erste Mal in Ostdeutschland. Man hört immer noch, obwohl Ost und West vereint sind, einige Vorurteile. Ich finde es toll, dass ich die Möglichkeit habe, mir hier im Gespräch meine eigene Meinung zu bilden.“ Ein Gefühl, das die Mehrheit der Anwesenden zu teilen schien – auch Bürgermeister Kaminski. Er richtete zum Abschluss den eindringlichen Appell an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das, was sie im Lauf des Tages miteinander und übereinander gelernt und erfahren haben, weiterzuerzählen. „Die Inhalte, aber auch die Emotionen.“

Schülerreporterinnen und -reporter aus Schmalkalden und Recklinghausen begleiteten die Dialogveranstaltung und produzierten eine Reportage. Sie sprachen mit Teilnehmenden des Dialogs sowie mit Bürgerinnen und Bürgern aus Schmalkalden über die Frage, ob die Einheit in den Köpfen der Menschen angekommen ist.

Alle weiteren Termine von „Deutschland im Gespräch“ wurden aufgrund der Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 (Coronavirus) und der damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens abgesagt.

 

Fotos: Karsten Thielker