Deutschland im Gespräch

Veranstaltungsrückblicke

29.02.2020 | Rostock

„Wir brauchen ein wertschätzendes Miteinander“ – Deutschland im Gespräch: Rostock und Bremen

„Die Vergangenheit war auf beiden Seiten unterschiedlich, aber die Zukunft ist für uns gleich.“ Dieses Statement einer Teilnehmerin steht für die Stimmung auf der fünften Veranstaltung „Deutschland im Gespräch“ am Samstag, 29. Februar 2020 in Rostock. Zu Gast waren Bürgerinnen und Bürger aus der Partnerstadt Bremen.

Eröffnet wurde dieses Gespräch durch Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns und Mitglied der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“, mit einer Videogrußbotschaft.

 

Erinnerungen an die Vergangenheit

Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock, ließ es sich ebenfalls nicht nehmen, die rund 100 Teilnehmenden aus Bremen und Rostock zu begrüßen: „Es gibt nur an zwei Tagen im Jahr schlechtes Wetter in Rostock, leider haben Sie einen davon erwischt“. Interessant war sein Blick als Däne auf die Geschehnisse im Herbst 1989, so erzählte er: „Unser Deutschlehrer, der selbst aus Deutschland kam, hat damals um eine Minute Stille gebeten. Danach haben wir ihn 14 Tage nicht gesehen. Als er wieder zurück war, hat er jedem ein Stück der Berliner Mauer mitgebracht. Das war sehr bewegend und hat die Bedeutung des Mauerfalls für mich greifbar gemacht.“ Frau Insa Sommer aus der Senatskanzlei Bremen überreichte ein Gastgeschenk an den Oberbürgermeister.

Frank Junge, MdB und Mitglied der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“, betonte in seiner Begrüßung der Teilnehmenden, dass auf das, was in 30 Jahren erreicht wurde, alle stolz sein könnten. „Ich freue mich auf spannende Diskussionen, Sichtweisen aus Ost und West auf die letzten 30 Jahre und darauf, gemeinsam in die Zukunft zu gehen.“

Der Blick in die Zukunft

Es wurde auch in Rostock wieder angeregt diskutiert zu den vier Themenfeldern Anerkennung von Lebensleistung, Voneinander lernen, Umgang mit Herausforderungen und der Frage danach, was ein gutes Leben ausmacht. In einer Gruppe zum Thema Voneinander lernen heißt es dann auch: „Die Personen in unserer Runde waren recht unterschiedlich, aber die Stichworte, die eingebracht wurden, waren doch bei allen ungefähr gleich. Was wir brauchen, um voneinander zu lernen: Neugier, Querdenken, Probleme differenziert betrachten, andere Meinungen annehmen, aber die eigene auch vertreten. Der Westen kann und muss vielleicht vom Osten lernen, wie mit Umbruchsituationen konstruktiv umgegangen werden kann.“ Im Open Space, in dem die Teilnehmenden ihre eigenen Themen einbrachten, wurde u.a. darüber gesprochen, was „Macht des Volkes“ eigentlich bedeutet und die Frage gestellt, wie soziale Trennungen aufgehoben und mehr gesellschaftliche Durchmischung gefördert werden kann. Andere Teilnehmende fanden sich zusammen, um darüber zu reden, wie Migration geordnet werden kann, ohne sie abzulehnen. Außerdem im Open Space: Mentalitäten, Verantwortung für die jüngere Generation oder Freiheit, Mecklenburg-Vorpommern für junge Menschen attraktiv gestalten und Belebung der Städtepartnerschaft auf Bürgerebene.

In der Abschlussrunde äußerte sich ein Teilnehmer aus Bremen überrascht: „Wir sind uns deutlich näher als ich geglaubt habe“. Ergänzend meinte Lothar Probst, emeritierter Professor aus Bremen und als Teilnehmer bei den Gesprächen dabei: „Es gibt Unterschiede zwischen Ost und West, die müssen auch benannt und anerkannt werden. 40 Jahre Teilung sind nicht wegzudiskutieren.“ Wichtig sei es, „das Gemeinsame zu betonen, das Trennende nicht zu ignorieren“, so Probst. Ein junger Teilnehmer aus Rostock meinte dagegen: „Ost und West, das gibt es für mich eigentlich nicht mehr. Aber es ist sehr interessant, sich mit Leuten zu unterhalten, die die Trennung miterlebt haben und ihre Perspektiven kennenzulernen.“

Die Dialogveranstaltung in Rostock in Bildern

Während der Workshops sitzt eine Gruppe von Teilnehmenden im Gespräch beieinander.
Die Schülerreporterinnen und Schülerreporter interviewen vor der Eröffnung des Dialogs Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen.
In der ersten Gesprächsrunde lernen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen.
Beim Kennenlernen tauschen Rostocker und Bremer ihre Erfahrungen aus.
Das Kennenlernen und die Wertschätzung der jeweils anderen Biographien und Erfahrungen bilden die Grundlage für die Gespräche.
In größeren Runden diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Frage „Wie wollen wir miteinander leben?“.
Während einer der Gesprächsrunden sitzen sechs Menschen in einem Stuhlkreis eng zusammen, ihre Klemmbretter haben sie auf ihren Schoß gelegt.
Die Gruppen stellen ihre Ergebnisse im Plenum vor.
Eine Antwort auf die Frage, was sie voneinander lernen können: „Neugier, Querdenken, Probleme differenziert betrachten, andere Meinungen annehmen, aber die eigene auch vertreten.“
Die Moderatoren Anja Heyde und Oliver Kuklinski sprechen mit dem Koch, der für „Deutschland im Gespräch“ ein regionales Menü aus den Städten vorbereitet hat.
In einer gemeinsamen Abschlussrunde lassen alle Dialogteilnehmenden den Tag Revue passieren.
Teilnehmende besuchen als Teil des Nachmittagsprogramms die Polizeiinspektion Rostock.
Zum gemeinsamen Abendessen sitzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Kurhaus Warnemünde beisammen.
Im Rahmen des Abendprogramms zeigen Schauspielerinnen und Schauspieler ein Improvisationstheater.
Inspiration hat ihnen der Tag gegeben - und sie nehmen einige Situationen auch humorvoll in ihre Improvisation auf.

„Meinungen anhören und Meinungen vertreten“

Anliegen einer Teilnehmerin war es, diejenigen in die Gespräche einzubeziehen, die sich in der Regel nicht äußern: „Es gibt viele, die schweigen, die das Gefühl haben, nicht gesehen zu werden, zurückgelassen zu sein. Wie rede ich mit jemanden, der nicht reden will?“ Dieses wichtige Anliegen gilt es sicherlich bei zukünftigen Gesprächsformaten zu beachten. Eine Gesprächsrunde im Open Space befasste sich mit der Frage, wie aus diesem Gesprächsformat ein nachhaltiger Prozess werden könne. Kommissionsmitglied und Schauspieler Jan Josef Liefers dazu in der Abschlussrunde: „Dem Verlauf und den Rückmeldungen nach, würde ich sagen, ja. Wir müssen im Gespräch bleiben. Mein Wunsch ist, dass wir nicht unbedingt einen Plan entwickeln, sondern vielmehr irgendwann einen gemeinsamen Traum haben.“

Eine wichtige Erkenntnis des Tages fasste der Schüler Serdar Ugurlu aus Bremerhaven, an die Teilnehmer gerichtet, zusammen: „Dadurch, dass Sie hierhergekommen sind, ihre eigene Meinung vertreten haben und sich andere Meinungen angehört haben, sind Sie alle Vorbilder.“ Es müsse nicht immer eine schnelle Einigung erzielt werden, wenn nur der erste wichtige Schritt dazu gemacht werde.

Schülerreporterinnen und -reporter aus Rostock und Bremen begleiteten die Dialogveranstaltung und produzierten eine Reportage. Ihr Thema: Musik und Jugendkultur.

Wie war es, als Jugendliche im geteilten Deutschland aufzuwachsen? Auch Kommissionsmitglied Jan Josef Liefers erzählte den Schülerreporterinnen und –reportern von seinen musikalischen Idolen.

Die nächste Begegnungs- und Dialogveranstaltung fand vom 6. März bis 8. März 2020 in Schmalkalden mit Gästen aus Recklinghausen statt.

 

 

 

Fotos: Karsten Thielker